Gut geschlafen habe ich nicht wirklich, immer wieder bin ich aufgewacht, was mich aber nicht stört.
Dieses Gefühl, das grosse Ziel erreicht zu haben, dieser wunderbare Zeitabschnitt von vier Wochen, welche nur mir gehörten, das ist überwältigend!
Die Gratulationen und Glückwünsche von mir nahe stehenden Freunden haben mich sehr tief berührt, es ist unbeschreiblich schön, so gute Leute um sich zu wissen!
Ich muss es für mich selbst nochmals rekapitulieren:
- Kilometer Endstand 2541 in Santiago de Compostela
- abzüglich Anfangsstand 193 in Seon = gefahrene km 2348
- Start in Seon 27.3.2015
- Ankunft in Santiago 23.4.2015 / am Tag 28
- abzüglich 5 Ruhetage = 23 Fahrtage = Durchschnitt 102 gefahrene km pro Tag
Die Pension P.R. Artilleiro habe ich gut recherchiert über Booking.com gefunden und gebucht. Es ist hier wie überall: Wenn dauern viele Leute einfach da sind und konsumieren, ohne dass man viel dafür tun muss, ist die Gefahr gross, dass überrissene Preise und / oder mangelnde Qualität angeboten werden. Deshalb habe ich mir viel Zeit genommen um die Kundenbewertungen zu lesen. Das P.R. Artilleiro ist eine private Pension, welche vom Besitzerehepaar geführt wird. Nett, einfach und zweckmässig ausgerüstet, sauber, familiäre Betreuung - genau so, wie ich es mir gewünscht habe. Die Lage ist gut bei der Universität, in 15 Gehminuten ist man bei der Kathedrale. Dahin zog es mich natürlich, ich wollte ja alles aus der Nähe sehen. Vor allem interessierte mich, wie ich zur Compostela kommen sollte und ob ich die überhaupt erhalten werde. Ich hatte die Befürchtung, dass ich zu wenig in offiziellen Herbergen geschlafen hätte und zu viele Hotelstempel im Pilgerausweis beweisen würden, dass ich nicht der Compostela würdig sei.
Ich fragte mich durch, wo ich mich denn melden müsse. Im Oficino do Peregrino, das ist die gefragte Anlaufstelle. Das ist ein Büro in der Altstadt in einer Nebengasse, gut beschriftet. Abtrennseile um Warteschlangen in ordentliche Bahnen lenken zu können und Wächter stehen genügend zur Verfügung. Ich hatte riesiges Glück! Die Altstadt überquoll zwar fast vor lauter Pilgern, aber die hatten anscheinend ihre Compostela schon, jedenfalls musste ich nicht allzu lange warten, etwa 50 Personen waren vor mir. Das Büro ist ein langer schmaler Schlauch in die Tiefe gehend mit 7 Schaltern. Nicht die optimalste Lösung, da die meisten Pilger ja noch ihre Rucksäcke auf dem Buckel haben. Oben gibt es eine grosse Anzeige mit sieben Feldern. Der freie Schalter wird jeweils mit einem grünen Feld angezeigt, ein Pilger kommt raus, der nächste geht an den freien Schalter.
Pilgerausweis, Pass oder Identitätskarte müssen natürlich bereit sein und sofort abgegeben werden. Dann erfolgt die Befragung. Woher man komme, wann gestartet und so weiter. Zugleich wird das mit den Stempeln im Pilgerausweis verglichen. In meinem Fall hatte ich natürlich das Natel bereit, habe dem jungen Herrn die Bilder von Pegasus, Anhänger und gefahrenem Kilometerstand gezeigt, er akzeptierte und gab mir ein Blatt zum ausfüllen. Name, Adresse, Land, Beruf, Religion, womit gekommen usw. musste lückenlos ausgefüllt werden. In dieser Zeit hatte er bereits die Compostela ausgefüllt, welche ich gleich nach Abgabe des Blattes erhielt. Kurz und schmerzlos, aber doch kritisch hinterfragt, damit keiner ungerecht zu einer Compostela kommt.
Da stehst Du nun in der Altstadt mit der Compostela in den Händen und weisst nicht wohin damit. An dies hatte ich nicht gedacht, dass ich ein A4-Blatt transportieren müsse. Nach meinem bisherigen Verhalten hätte ich diese Compostela niemals gefaltet, auf keinen Fall! Zu wichtig und wertvoll ist so ein Zertifikat! Das war vor dem Jakobsweg! Ich nahm das Blatt, fotografierte es, dann faltete ich es zweimal, damit es das gleiche Format hat wie der Pilgerausweis und rein damit in den Pilgerausweis! Thats it - geht doch einfach, ist nur ein Stück Papier und gehört zum Ausweis. Das tönt jetzt blöd, aber das ist schon eine wesentliche Änderung, wenn man das auch auf andere Tätigkeiten überwälzen kann, was ich ja genau vor habe.
Dann mal gemütlicher Stadtbummel bei schlechtem Wetter. Zu Regnen hatte es in der Zwischenzeit aufgehört, es sah aber eher nach Pause aus. Dieser Rummel, diese vielen Menschen! Aus allen Ländern der Welt sind sie hier, so wie ich ohne Gepäck, eben angekommen, schmutzig und in voller Pilgermontur - das ist derart interessant, da könnte ich stundenlang die Menschen und deren Verhalten beobachten! Was ich ja auch während dem Spaziergang machte.
Gegen Abend ging es dann langsam zurück in die Pension. Noch etwas ausruhen und nachdenken! Ich hatte mich schon lange auf das Nachtessen gefreut! Natürlich wieder bei Toni im gegenüberliegenden Mason do Pulpo. Toni freute sich ebenso über mein Erscheinen,das ich ihm ja bereits gestern angekündigt hatte. Ich war bereits zum Amigo aufgestiegen, was sich nicht nur in der netten Bedienung, sondern auch in der Grösse der servierten Portionen ausdrückte!
Zur Vorspeise ein grüner Salat mit Tomaten und Zwiebeln, Portion würde für zwei reichen, was für alle folgenden Speisen gilt!
Als Hauptspeise Lamm mit Pommes, dann einen Espresso. Toni kam mit einer Schnapsflasche und fragte, ob ich probieren wolle? Natürlich wollte ich! Aber nur einen kleinen Schluck dürfe man da nehmen sagte Toni, sonst sei der Kaffe nicht mehr gut. Wirklich gut, ich habe aber nicht herausgefunden, woraus der Schnaps gemacht wird, ist ja auch nicht so wichtig. Dann fand er, ich sollte doch ein einheimisches Dessert probieren, was ich ihm nicht ausschlug. Nach dem Dessert hatte ich nochmals Lust auf einen Espresso.
Da in der Zwischenzeit ein Fussballspiel am TV lief und mehr oder weniger alle Gäste im Umkreis des TV daran teilnahmen, schaute ich mir das auch an. Dazu genehmigte ich mir ein Cuba libre, also eine Cola mit Rum und Eis. Diese Konsumation zu einem Preis - das haut Dich um, so günstig! Da müsste ich viel Velo fahren wenn ich immer bei Toni essen würde! Aber nach all den Strapazen bin ich etwas ausgehungert und darf ein wenig über die Stränge hauen, denke ich mal. Die Waage zu Hause wird mir dann den Weg schon wieder weisen.
Ein erfreulicher Tag neigte sich dem Ende zu, Zeit, die Pension aufzusuchen und die zu bezahlende Miete abzuwohnen!
Buonas noches - da manjana