Ein feines Frühstück im Hôtel de Ville und um ca. 9 Uhr machte ich mich langsam auf den Weg. Früher hätte wegen der tiefen Temperatur keinen Sinn gemacht. Auch heute gab es wieder einen nahrhaften Aufstieg, so geschätzte 15 Kilometer immer Steigung! Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt und habe am Morgen zum starten lieber eine Steigung als eine lange Abfahrt, also bei diesen tiefen Temperaturen wohlverstanden.
Nach etwa 5 km Fahrt kam ich echt in Not! Eine gewaltige Steigung von über 20% zu einem Gehöft musste überwunden werden. Weder meine Kräfte, noch die höchste Unterstützung noch der erste Gang reichten aus, diese Steigung zu überwinden! Rasch vom Velo jumpen, bevors zu Boden ging und mal versuche, still zu stehen. Die Vorderbremse reichte nicht aus, das Gefährt zu halten, es rutsche nach hinten weg. Nur zusammen mit der Hinterbremse konnte ich das Ding im Stillstand halten. Nun was jetzt? Nach oben schieben? Forget it! Da ich kein Schwinger bin, reichte meine Kraft nicht! Umkehren? In dieser Steigung bei einer Strassenbreite von 2.50 Metern? Unmöglich! Also, höchste Unterstützungsstufe rein, erster Gang rein, linke Pedale 90 Grad nach vorne und einen Tritt darauf geben, dann macht das Ding einen Satz nach vorne. Wenn man dann im richtigen Moment noch etwas Stosskraft dazu gibt, bist etwa 1.50 Meter weiter. Natürlich achtgeben, dass man nicht auf die Schnauze fällt. Das Ganze etwa 300 Mal wiederholen, und schon hast warme Hände und warme Füsse.
Den Programmierer dieses Weges hätte ich heute ohrfeigen können, wenn ich ihn vor mir gehabt hätte!
Nun war ich auf einem Hochplateau und es reihte sich wieder Hügel an Hügel. Ist nicht weiter schlimm, wenn man mal oben ist, sind die Steigungen und Gefälle moderat. Anders sieht es aus, wenn die Strecke bis zum Fluss runter führt und nachher wieder auf ein paar hundert Meter Höhe. Dieses Prozedere durfte ich auch heute einige Male bewältigen! Ich bin wirklich froh, dass ich meine Neigung, solche Dinge festzuhalten ablegen konnte, vor lauter zusammengezählten Höhenmetern würde mir sonst sicher schwindlig!
Etwas anderes konnte ich nicht ablegen: Die Blitzidee im Kopf, allenfalls eine zweite Etappe anzuhängen, falls Akkus, Kopf, Allerwertester und GPS dies mitmachen würden!
Ja, es reizte mich wieder mal, die Grenzen auszuloten. Das hatte ich schon immer in mir und ehrlich gesagt, dies will ich gar nicht ablegen! Um etwa 14 Uhr war ich auf der Höhe von Conques, es hätte noch eine Viertelstunde gebraucht, und ich wäre eine Etappe weiter gewesen. Ja was machst denn den ganzen Nachmittag? Rumhängen? Andere Pilger suchen und diskutieren?
Nein - heute wollte ich es wissen - ich hänge nochmals ne Etappe dran, dies nach 85 gefahrenen Kilometern! Der erste Akkuwechsel stand nach 87 Kilometern an, dank vorausschauender Fahrweise mit viel Eigenarbeit! Auf dem Weg gab es viele Chambres hôte und Gate Chambres, ich war ein paarmal nahe daran, vernünftig zu sein und die Etappe zu unterbrechen. Aber vernünftig sein fand ich heute nicht lustig, ich wusste, dass es an mir nagen würde, das gesteckte Ziel nicht erreicht zu haben. Also befahl der Steinbockkopf allen mitbeteiligten Körperteilen inklusive Allerwertestem: Nochmals nen Schub zulegen, Feierabend gibt es erst in Cajarc!
Somit habe ich zwei Etappen an einem Tag hinter mich gebracht, 157 Km inklusive viele Höhenmeter gefahren und bin immer noch gut im Strumpf! Nach meinem Marschplan wäre ich erst am Samstag 11. April in Cajarc angekommen, na, etwas Vorsprung auf die Marschtabelle schadet ja nicht!
Na also: Pilgerherberge in Cajarc beziehen und auf ins Dorf ins La Pause, Nachtessen und Berichte schreiben.
Den Schlaf werde ich vermutlich diese Nacht nicht suchen müssen! Ich wünsche angenehme Nachtruhe und bis Morgen!